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Nahaufnahme mehrerer Probenröhrchen, die auf einem Tisch liegen. Im Hintergrund ist unscharf der Schriftzug "Charité" auf einem Formular erkennbar.

Kontrollierter Gentransfer

Bei der Verabreichung von Genen muss eine Vielzahl biologischer Hindernisse überwunden werden, um eine wirksame Therapie zu ermöglichen. Eines der größten Probleme im Bereich der nicht-viralen Gentherapie ist die sichere und bislang ineffiziente Einschleusung des genetischen Materials an den Wirkort innerhalb der Zielzelle.


Im Rahmen eines europäischen Verbundprojekts im Rahmen der Initiative Horizon 2020 wollen wir diese Hürden im Bereich des Gentransfers überwinden.

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Kontrollierter Gentransfer

Gentherapie


Die Gentherapie ist eine der vielversprechendsten Behandlungsmöglichkeiten für künftige Therapien bei einem breiten Spektrum von erblichen und lebensbedrohlichen Krankheiten, die durch genetische Mängel und Anomalien verursacht werden, darunter monogenetische Erkrankungen wie viele Blutkrankheiten, das erworbene Immunschwächesyndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und andere [1-4]. Die Gentherapie umfasst im Allgemeinen alle Anwendungen, bei denen zur Behandlung einer Krankheit therapeutische DNA eingesetzt wird, um ein Gen zu ersetzen, zu inaktivieren oder einzuführen. Dabei können die therapeutischen Nukleinsäuren in verschiedenen Phasen des Genexpressionsprozesses wirken. Der kontrollierte Gentransfer beschreibt das spezifische Verfahren, mit dem die Gene in die Zielgewebe oder -zellen gebracht werden, um abnormale Gene zu regulieren oder zu ersetzen. Bei der Verabreichung von Genen müssen zahlreiche biologische Hindernisse überwunden werden, um eine wirksame Therapie zu ermöglichen [5].
Eines der Hauptprobleme im Bereich der nichtviralen Gentherapie ist das ineffiziente und sichere Erreichen von genetischem Material an den Wirkort in der Zielzelle. Bei der systemischen Verabreichung können DNA-Therapeutika schnell durch Endonukleasen im Blutkreislauf oder im extrazellulären Raum abgebaut werden. Daher ist eine Komplexierung oder Verkapselung erforderlich, um die DNA zu schützen und die Zirkulation im Körper zu ermöglichen. Klassischerweise wurden virale Vektoren als Genträger eingesetzt. Sie sind in der Regel effizient, haben aber erhebliche Einschränkungen, wie z. B. eine geringe Beladungskapazität. Darüber hinaus haben Probleme mit der Immunogenität und Toxizität von viralen Vektoren zu neuen Ansätzen in der Entwicklung nicht-viraler Träger geführt. Häufig werden selbstorganisierte Komplexe mit kationischen Polymeren (Polyplexe) oder zwitterionischen/neutralen Lipiden (Lipoplexe) verwendet, um die negativ geladene DNA zu kondensieren und zu schützen [6-7]. Weitere biologische Hürden sind die Erkennung der Zielzellen sowie die zytosolische und nukleosolische Aufnahme des Gens, die berücksichtigt werden müssen, um einen erfolgreichen Gentransfer zu realisieren. Bei den derzeit verfügbaren Technologien werden mehr als 98 % des therapeutischen Gens in die Zelle transportiert, wo es sich jedoch in zellulären Kompartimenten, den Endosomen, ansammelt und schließlich abgebaut wird. Im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsprojekts ENDOSCAPE wollen wir diese Hürden überwinden.

Glykosylierte Triterpenoide als Endosomal Escape Enhancer

Ein wesentlicher Engpass bei den derzeitigen Genverabreichungskonzepten ist die effiziente zytosolische Freisetzung des genetischen Materials aus intrazellulären Vesikeln des endozytischen Weges wie Endosomen und Endolysosomen. Wird die DNA nicht rechtzeitig aus diesen Vesikeln freigesetzt, wird sie abgebaut oder zurück an die Zelloberfläche transportiert. Um einen effizienten Transfer von Gentherapeutika in das Zytosol zu ermöglichen, verwenden wir Endosomal Escape Enhancer (EEEs), dies sind sekundäre Pflanzenstoffe aus der Gruppe der glykosylierten Triterpenoide, welche den intrazellulären Transport von Pflanzentoxinen und anderen Makromolekülen vermitteln können [8]. Gemeinsam mit unserem Partner an der Freien Universität Berlin haben wir die EEEs entdeckt und untersucht, wobei wir uns auf die Frage konzentriert haben, ob und wie sie die spezifische Aufnahme potenzieller Arzneimittel vermitteln. Dazu gehören zielgerichtete Toxine, Toxine ohne zielgerichtete Bestandteile, niedermolekulare Medikamente und Gentherapeutika.


Im Rahmen des europäischen Projekts ENDOSCAPE sind die DNA-basierten Therapeutika von besonderem Interesse. In den letzten Jahren wurden erste Studien durchgeführt, um das Potenzial von EEEs zur Verbesserung der gezielten, nicht-viralen Gentherapien zu bewerten. Weng et al. zeigten, dass bestimmte glykosylierte Triterpenoide die Verabreichung von peptid- und lipidbasierten DNA-Komplexen mit Plasmid-DNA, Minicircle-DNA sowie siRNA (small interfering RNA) verbessern können [9]. Die EEEs reichern sich spezifisch in endosomalen Membranen an und destabilisieren diese, wodurch der Abbau der DNA in den Lysosomen durch rechtzeitigen Endosomal Escape verhindert wird. In einer anderen Studie wurden verschiedene DNA- und RNA-Nanoplexe mit Liposomen, Polyethylenimin oder zielgerichteten Oligo-Lysin-Peptiden formuliert. Obwohl die Wirkung der EEEs innerhalb der Zelllinien variierte, wurde jede Transfektionsmethode durch die gleichzeitige Verabreichung von EEEs signifikant verbessert [10].

 

ENDOSCAPE-Project

Bisher wurden die Endosomal Escape Enhancer (EEEs) den DNA-Formulierungen immer separat als unterstützendes Mittel in unabhängigen Dosen und Verteilungen zugesetzt. Die ENDOSCAPE-Technologie zielt darauf ab, ein polymeres Gerüst zu schaffen, das alle erforderlichen Komponenten – die EEEs, die Liganden zur Zielzellerkennung und das Effektor-Gen – in einem einzigen Konstrukt enthält. Wir wollen neuartige, nicht-virale Gentransportvektoren entwickeln, die auf kationischen (Bio-)Polymeren zum Schutz und Transport der therapeutischen DNA basieren. Darüber hinaus werden die EEEs in das Design des Trägersystems einbezogen und somit kovalent an das Polymer gebunden. Dies ermöglicht die konzertierte Bereitstellung der DNA und der EEEs am Wirkort, um die endosomale Freisetzung effizient zu verstärken.


Das Ziel der ENDOSCAPE-Technologie ist es, genetische Wirkstoffe potentiell für jeden adressierbaren Zelltyp herstellen zu können und so nicht nur bei Erbkrankheiten, sondern auch in der Krebstherapie Fortschritte zu erzielen. Somit wird die Technologie für große Patientengruppen von Bedeutung sein. Wir konzentrieren uns auf bestimmte Modell-Liganden, die entweder Leberzellen zur Behandlung von Hämophilie oder Tumorzellen zur Einführung von Selbstmordgenen ansprechen. Bei den Liganden handelt es sich um konstruierte Mutanten oder chemisch modifizierte Versionen des epidermalen Wachstumsfaktors, des Transferrins, des Apolipoproteins A1 und der pre-S1-Domäne des Hepatitis-B-Virus. Mithilfe der Click-Chemie kann der Ligand zum ENDOSCAPE-Modul hinzugefügt werden, was maßgeschneiderte Arzneimittelanwendungen und eine breite Palette von Techniken für das Ansteuern von Gewebe und Zellen ermöglicht. Daher ist die Technologie als modulare Box konzipiert, die es ermöglicht, Bausteine auch für künftige Entwicklungen auf dem Gebiet der zielzellgerichteten Methoden zu kombinieren.


Darüber hinaus wird die Kombination der Bausteine in einem einzigen Konstrukt die Anwendung in vivo erleichtern, da das Gentherapeutikum und alle unterstützenden Verbindungen die gleiche Pharmakokinetik aufweisen. Die entworfenen Konstrukte werden in vivo hinsichtlich der Toxizitäts- und Immunogenitätsprofile sowie in pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Studien getestet.


Im vorliegenden Projekt wollen wir eine höhere Wirksamkeit der nicht-viralen zielgerichteten Gentherapie unter Verwendung von EEEs erreichen und eine effiziente intrazelluläre Verabreichung an einen bestimmten Zelltyp im Körper ermöglichen, insbesondere zur Behandlung von monogenetischen Krankheiten und Krebs. ENDOSCAPE soll eine Alternative zur viralen Gentherapie darstellen und gleichzeitig bereits existierende medizinische Wirkstoffkandidaten einbeziehen. Die langfristige Vision von ENDOSCAPE ist die Marktakzeptanz einer neuartigen Technologie, die für die intrazelluläre Verabreichung von Medikamenten für die medizinische Behandlung verwendet werden kann sowie ihre Anwendung in der personalisierten Medizin.


Weitere Informationen finden Sie unter https://endoscape-2020.eu. Folgen Sie uns auch gerne auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/company/endoscapeproject/
Das ENDOSCAPE-Projekt wird von der Europäischen Union im Rahmen des Horizon 2020-Programms unter der Nr. 825730 gefördert, https://cordis.europa.eu/project/id/825730/de.

Zitierte Literatur

[1] M. Cavazzana, F. D. Bushman, A. Miccio, I. André-Schmutz, E. Six, Nature Reviews Drug Discovery 2019, 18, 447-462.
[2] J.-J. Nie, B. Qiao, S. Duan, C. Xu, B. Chen, W. Hao, B. Yu, Y. Li, J. Du, F.-J. Xu, Advanced Materials 2018, 30, 1801570.
[3] H. Yin, R. L. Kanasty, A. A. Eltoukhy, A. J. Vegas, J. R. Dorkin, D. G. Anderson, Nature Reviews Genetics 2014, 15, 541-555.
[4] D. B. Kohn, Current Opinion in Biotechnology 2019, 60, 39-45.
[5] I. M. S. Degors, C. Wang, Z. U. Rehman, I. S. Zuhorn, Accounts of Chemical Research 2019, 52, 1750-1760.
[6] J. Buck, P. Grossen, P. R. Cullis, J. Huwyler, D. Witzigmann, ACS Nano 2019, 13, 3754-3782.
[7] U. Lächelt, E. Wagner, Chemical Reviews 2015, 115, 11043-11078.
[8] A. Weng, M. Thakur, B. von Mallinckrodt, F. Beceren-Braun, R. Gilabert-Oriol, B. Wiesner, J. Eichhorst, S. Böttger, M. F. Melzig, H. Fuchs, Journal of Controlled Release 2012, 164, 74-86.
[9] A. Weng, M. D. I. Manunta, M. Thakur, R. Gilabert-Oriol, A. D. Tagalakis, A. Eddaoudi, M. M. Munye, C. A. Vink, B. Wiesner, J. Eichhorst, M. F. Melzig, S. L. Hart, Journal of Controlled Release 2015, 206, 75-90.
[10 S. Sama, G. Jerz, P. Schmieder, E. Woith, M. F. Melzig, A. Weng, International Journal of Pharmaceutics 2017, 534, 195-205.

Weitere Informationen zur Forschung der AG Fuchs